Ergebnisse des 6. Gartenreichforums
- Veröffentlicht von andreas
Das 6. Gartenreich-Forum am 17. März 2025 im historischen Gasthof zum Eichenkranz „Was ist uns das Dessau-Wörlitzer Gartenreich wert? Zur Wertschätzung von Kulturgütern“
Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich ist mehr als nur eine Ansammlung von Gärten und Schlössern – es ist ein lebendiges Zeugnis der Aufklärung und der kulturellen Strömungen des 18. Jahrhunderts. Es ist anerkannt als ein herausragendes Beispiel für die Synthese von Natur und Kunst. Der finanzielle Wert, den die Kunstschätze wie Schlösser, Skulpturen und Gemälde repräsentieren, ist unbestreitbar. Trotz dieser immateriellen und materiellen Werte müssen sich auch solche herausragenden Kulturgüter mit der Frage auseinandersetzen, was sie uns als Gesellschaft und speziell das Gartenreich dem Land Sachsen-Anhalt und den Kommunen Dessau-Roßlau und Oranienbaum-Wörlitz wert sind. Die Gesellschaft der Freunde des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches hat solche Überlegungen zum Anlass genommen, um mit rund 40 Jugendlichen aus der Region Dessau – Oranienbaum-Wörlitz – Gräfenhainichen das Thema „Was ist uns das Dessau-Wörlitzer Gartenreich wert? Zur Wertschätzung von Kulturgütern“ zu diskutieren. Die Tagung fand am 17. März 2025 statt und bot den Jugendlichen eine Plattform, um mit Personen aus der Wissenschaft und mit interessierten Besucherinnen und Besuchern die vielfältigen Dimensionen dieses einzigartigen Erbes zu erörtern.
Die Vorbereitung auf die Tagung begann bereits im Herbst 2024, indem für die Lehrkräfte und für die Jugendlichen eine Exkursion vor Ort in Wörlitz als „Erfahrung“ in doppeltem Sinne per Gondelfahrt und als „Begehung“ durch eine qualifizierte Führung des Schlosses erfolgte. Dabei ging es auch darum, die Komplexität des Gartenreiches aufzuzeigen. In vier Gruppen mit jeweils Jugendlichen zweier Schulen wurden die für die Wertschätzung des Gartenreiches notwendigen Kenntnisse vermittelt. Bis zur Tagung waren die Jugendlichen dann aufgefordert, sich mit dem Gartenreich und dem Thema Wertschätzung auseinanderzusetzen, indem sie mit Videoclips Werbung für einen Besuch in den Wörlitzer Anlagen erstellen sollten. Es wurden insgesamt 12 Videoclips eingereicht und zu Beginn der Tagung als Einstieg in das Thema gezeigt.
Bei der Tagung selbst stand dann im Vordergrund, die jungen Menschen zur offenen Diskussion über die Bedeutung von Kulturgütern zu ermutigen. Die Tagung begann deshalb auch nicht mit Vorträgen aus Politik und Wissenschaft, sondern nach einer kurzen Einführung in das Thema durch den Vorsitzenden der Gartenreichgesellschaft setzten sich die Jugendlichen in vier Arbeitsgruppen mit den Moderatorinnen und Moderatoren zunächst mit der Frage auseinander, was bzw. welche Dinge für sie generell wichtig sind. Durch die Beleuchtung des Begriffs „Wertschätzung“ und die Diskussion über Wertvorstellungen sollten die Jugendlichen an die Frage herangeführt werden, warum sie Kulturgüter wertschätzen wollen und was ihnen das Gartenreich wert ist. Die Diskussion begann mit den Dingen, die den Jugendlichen im Alltagsleben wichtig sind: zum Beispiel Familie, Frieden und Freiheit. In der Mentimeter-Umfrage am Ende der Veranstaltung wurden diese Begriffe ebenfalls häufig genannt; zusätzlich waren den Teilnehmenden wichtig der Respekt gegenüber anderen Menschen und anderen Meinungen, Identitätsstiftung und Gemeinschaftsgefühl, Kulturgüter, Vielfalt im Gartenreich. Die Jugendlichen betonten am Ende der Veranstaltung also Konzepte und Dinge, die durchaus den Idealen des Fürsten Franz und dem Gedanken der Aufklärung nahestehen. Sie unterschieden dabei die Wertschätzung für Ideen (z.B. Aufklärung), Personen (z.B. Familie, Idole) und Dinge (z.B. Kunst, Schmuck). Sie unterschieden den finanziellen Wert von Dingen, der nicht mit dem Materialwert identische sein müsse, vom ideellen Wert bzw. dem emotionalen Wert. Am Gartenreich schätzten sie besonders die Schönheit der Gärten und des Schlosses, die Geschichte des Gartenreiches, die Förderung der Identifikation der Menschen mit der Region, den materiellen und ideellen Wert.
In drei fachlichen Vorträgen wurden den von den Jugendlichen erarbeiteten Ergebnissen wissenschaftliche Erkenntnisse gegenübergestellt. Es zeigte sich eine große Übereinstimmung der verschiedenen wissenschaftlichen Thesen und den Ergebnissen der Diskussion in den Arbeitsgruppen.
- Guido Puhlmann, Leiter des Biosphärenreservats Mittelelbe, spannte den Bogen von der Frühzeit der Kulturlandschaft Dessau-Wörlitz bis zur Bedeutung der Auenwälder heute für Artenvielfalt, Klimaschutz und Klimaanpassung. Er betonte, dass Naturschutz als Kulturaufgabe ein Teil unserer Kultur sei. Darauf hätten bereits die Erschaffer des Wörlitzer Parks hingewiesen: so zum Beispiel mit der Inschrift am Warnungsaltar im Wörlitzer Park „Wanderer achte Natur und Kunst und schone ihre Werke“.
- Paul Beckus, Universität Halle, stellte das Thema Wertschätzung von Kulturgütern entlang von vier Grundthesen in einen historischen Kontext. Seine erste These, die Kulturgüter im Gartenreich erzeugten Wertschätzung auch unabhängig vom Wissensstand ihrer Betrachter, löste in Anlehnung an die These von Goethe „man erblickt nur, was man schon weiß und versteht“ eine kontroverse Debatte aus. Eine weitere war, die Kulturgüter im Gartenreich wirkten identitätsstiftend auf ihr näheres Umfeld, da man nur hier dauerhaft damit konfrontiert sei. Diese These wurde auch in den Debatten der Jugendlichen untereinander wiederholt genannt. Die Identifizierung mit dem Gartenreich bedürfe zudem einer Erzählung über sich selbst, um sich darüber austauschen zu können. Der „Mythos Wörlitz“ sei das Ergebnis dieser Erzählung und trage das Bild in die Breite. Schließlich verändere die Auseinandersetzung mit dem historischen Entstehen des Gartenreiches das Bild vom Wörlitzer Garten und seiner Deutung. Sie biete damit aber auch immer neue Möglichkeiten, sich mit dem Gartenreich auseinanderzusetzen und schaffe so neues Interesse für das Gartenreich. Dies könne die Wertschätzung fördern.
- Stefan Körner beleuchtete die Bedeutung des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches an Hand von aktuellen Themen und aktuellen politischen Entwicklungen, wie zum Beispiel den Globalen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen oder aktuellen politischen Tendenzen in den USA. So sei das Prinzip der Nachhaltigkeit bereits bei seiner Gründung im Gartenreich angelegt. Das Gartenreich sei nachhaltig, bewegend, relevant, friedensstiftend, innovativ, inspirierend, erholsam, Kraft spendend, strahlend, anziehend, wertschätzend, verbindend, letztendlich also ideenreich und auch heute noch Quelle für Inspiration.
Auch Frau Prof. Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien a.D., stellte in ihrem Grußwort die Wertschätzung für Kulturgüter in einen historischen Kontext. Historische Kulturgüter seien von unschätzbarem Wert, da sie nicht nur materielle Zeugnisse vergangener Epochen darstellten, sondern auch Schlüssel zu unserer eigenen Geschichte und Identität bedeuteten. Gerade in einer Welt, in der Polarisierung, Spaltung und Hetze zunähmen, böten uns historische Denkmäler Orientierung. Sie förderten das Verständnis für die Erfahrungen, für die Höhepunkte und auch für die Fehler der Vergangenheit, aus denen wir lernen können und sie erinnerten uns zugleich daran, wer wir seien und woher wir kämen. Mit Blick auf die Zukunft der Jugendlichen appellierte Frau Prof. Grütters, uns gemeinsam für den Erhalt dieser wertvollen Schätze einzusetzen und uns immer wieder ihrer Bedeutung bewusst zu werden. Denn nur wer seine Geschichte kenne und verstehe, könne die Zukunft selbstbewusst und verantwortungsvoll gestalten.
In einem Marktplatz der Ideen wurden die in den Vorträgen aufgestellten Thesen und die Kernbotschaften der Arbeitsgruppen in kleinen - sich spontan findenden Gruppen - noch einmal diskutiert und dezentral dokumentiert. In der abschließenden Umfrage mit Hilfe von mentimeter.com wurden die Teilnehmenden zu den Ergebnissen des Forums befragt. Die Antworten zu zentrealen Fragen sind in den nachfolgenden Wordwolken zusammengefasst. Je größer eine Antwort dargestellt wird, umso häufiger war die Nennung


In der „Abschlussplauderei“ wurden die Ergebnisse auch in Hinblick auf die Kulturpolitik in der Region und auf Bundesebene reflektiert. Die Tagung „Was ist uns das Dessau-Wörlitzer Gartenreich wert? Zur Wertschätzung von Kulturgütern“ hat gezeigt, dass dieser Ort viel mehr ist als nur ein schöner Garten. Diese Meinung ist bei den jugendlichen Teilnehmenden aus der Region weit verbreitet. Es hat sich gezeigt, dass das Dessau-Wörlitzer Gartenreich ein wichtiger Teil der Geschichte und der Kultur der Region ist. Es ist damit ein Erbe, das wir schätzen und bewahren sollten und das für uns und zukünftige Generationen von großem Wert ist. Die Kooperation mit den Unesco Welterbestätten, Biosphärenreservat Mittelelbe und der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz hat sich erneut bewährt.